Europameisterschaft Berlin 2018


Deutsches Para-Nationalteam für die EM in Berlin 2018 - Foto: Binh Truong
Deutsches Para-Nationalteam für die EM in Berlin 2018 - Foto: Binh Truong

Ein großes Team für die Para-EM in Berlin.

Nominiert wurde am 10.07.2018.

(War ein schönes Geburtstagsgeschenk!)

Nomination news on IPC

 

Mit mittlerweile 20 Leuten, die mich im Stadion anfeuern werden, freue ich mich sehr auf diese Heim-EM!!

 

 

 

 


Heim-EM in Berlin...endlich war sie da! Nachdem ich am Fernseher mit der EM der "Weniger-Behinderten" (wie unser Nationaltrainer gern sagt) gut eingestimmt war, konnte es dann auch für uns am 16.08.2018 endlich nach Berlin gehen. Hotel, Essen - alles top! Die Teilnehmer der EM waren alle in einem Hotel untergebracht und in dem nebenan. Das war schon mal ein Erlebnis. Bei den Mahlzeiten war es meist echt interessant, ein ziemliches Nationalitätengewusel. 

 

Gut war, dass ich vor Beginn der EM noch ein paar Tage Zeit hatte, um in Ruhe "anzukommen" und ein wenig vor Ort zu trainieren. 

 

Für mich ist es immer wichtig, so viel wie möglich Stadion und Wettkampfatmosphäre im vorhinein in mich aufzunehmen. Das mag jeder anders handhaben. Ich brauche Leben um mich rum, um gut stoßen zu können. 

 

Was ziemlich toll war, dass ich dann zusammen mit Marion Peters (meiner Co-Nationaltrainerin) bei der Eröffnungsfeier den Eid der Athleten sprechen durfte. Das hat mich sehr gefreut und stolz gemacht. 

Vor meinem eigenen Wettkampf habe ich bei diversen Wettkämpfen meiner Kollegen aus dem Nationalteam zugeschaut, habe Sportfreunde aus ganz Europa getroffen und auch einen Volunteer (Tom Moffitt), den ich bei der EM 2014 in Wales kennengelernt habe. Er hat dann auch bei meinem Wettkampf zugeschaut. Zu dem Highlights gehörte auch ein kurzes Gespräch mit Andrew Parsons, unserem neuen IPC Präsidenten und weiter hatte ich viel Spaß mit dem Chef der italienischen Delegation. 

Zudem ist es schön, dass wir so viele neue nette Athleten im Team haben, die ich als große Bereicherung empfinde. 

Dank der Heim-EM konnten zu meinem Wettkampf und der anschließenden Siegerehrung fast 20 Freunde und Bekannte kommen. Das hat mich sehr gefreut. Es war ein bunt gemischtes Trüppchen von Freunden und Bekannten aus nah und fern (angefangen von meiner besten Freundin Sabine, Urlaubsfreunden, die extra Zwischenhalt in Berlin gemacht hatten, Freunden und Bekannten aus Berlin, Sportfreunden und sogar drei Vereinsvertretern - auch allen ganz ganz herzlichen Dank für die Unterstützung!! An dieser Stelle auch gleich ein großes Danke an meine Begleitperson Constanze Wedell, die - wie sie betont immer gerne dabei ist - sich aber dennoch die Zeit nehmen und mich "ertragen" muss)

ein Teil von meinem "Wettkampf-Support-Team" bei der Para-EM 2018 - DANKE!
ein Teil von meinem "Wettkampf-Support-Team" bei der Para-EM 2018 - DANKE!
Foto: Jörg Farys/die Projektoren
Foto: Jörg Farys/die Projektoren

Und nun zu meinem Wettkampf, der am 24.08.2018 um 19.05 stattgefunden hat. Es war schön zu wissen, dass dort im Stadion Freunde und Bekannte zur Unterstützung warten würden. 

 

Ich hatte in den letzten zwei Wettkämpfen sehr gut gestoßen, jeweils über meinen eigenen Weltrekord und ich wusste, dass ich das nochmal schaffen konnte. Doch das klappt bei mir nur, wenn ich den Spaß dabei behalte, unter Druck klappt gar nichts. Mit dieser Freude in mir schaffe ich es im Wettkampf in diesen Zustand zu kommen, wo ich für ein paar Sekunden nichts mehr wahrnehme, auch nicht meine Behinderung. Das ist gut. 

 

Ein bisschen ungut war, dass vom Vortag die Temperatur um fast 15 Grad gesunken war. Ansich nicht schlecht, so war es kühler, aber das war schon fast frostig.

Meine Muskeln werden dann steifer, die Spastik kommt mehr raus. 

Den doch sehr glatten Ring (wusste ich vorher) hatte ich mit dem zweiten Paar Schuhe (das ich für Regenwetter mitgenommen hatte) im Griff (zumindest fast). 

 

Mein erster Versuch (immer ein Standstoß zur Sicherheit) lief gut und voll Zuversicht ging es in den zweiten Versuch bei dem ich leider wegen des Rings aus dem Gleichgewicht kam.

 

Macht aber nichts. Hab mich gut konzentriert und der dritte Versuch war es dann: ich hatte die Kugel super am Hals (die halbe Miete bei mir), ich war schnell, ich blieb unten und ich hab schon beim Abstoß gemerkt: das war es! Dann flog die Kugel bis fast auf die 12m-Linie und auf der Anzeigetafel erschien: 11,79m. 

 

Ich verschenke im Vorfeld immer meine 6 Versuche und poste das auf Facebook. Den dritten Versuch hatte ich an meine beste Freundin Sabine verschenkt, die auch im Stadion war (gibt dann auch ein Foto, wo ich auf sie hindeute). 

Es gibt diese Momente im Leben, die muss man festhalten für sich, wo das Glück richtig präsent ist. Man muss die Augen schließen, damit man diesen Augenblick wieder abrufen kann. 

Auch wenn man im Vorfeld gut drauf war, auch wenn man so eine Leistung in sich trägt, man muss sie genau in dieser Stunde abrufen und stoßen können. Und wenn das dann klappt, wenn alles gepasst hat, dann ist der Schmerz im Handgelenk kurz weg, dann ist dieser Moment einfach nur perfekt. 

 

Der Rest des Wettkampfes war noch wirklich schön. Ich hatte einen schlechten und zwei Versuche, die auch über dem "alten" Weltrekord gewesen wären und somit war ich einfach nur zufrieden mit mir und der Welt. 

 

Nach den Einstoß- und Wettkampfversuchen bin ich aber auch ziemlich erschöpft. Aus dem Stadion zu gehen ist dann echt anstrengend. Die Präsenz der Presse bei unserer EM war sehr erfreulich und hat mich gefreut, aber schön war auch, dann endlich meine Freunde zu treffen und mit ihnen feiern zu können. Und das konnten wir danach tatsächlich noch machen. 

Siegerehrungen empfinde ich immer als etwas ganz Besonderes. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der es nicht üblich war, deutsche Fahnen zu schwingen oder unsere Hymne zu singen, denn in der Verarbeitung des Krieges, der auch in den Nachwehen in meiner Kindheit noch spürbar war, war Nationalstolz etwas, das nur zur Fußballweltmeisterschaft ein wenig erlaubt war. Dann änderte sich das mit den Jahren und plötzlich durfte ich auch dort stehen und meine Hymne singen, doch irgendwie singt nie einer so richtig mit. Auch komische Grinser gibt es hier und da, aber das stört mich nicht. Die Athleten unserer Nachbarländer singen, dass einem die Ohren fast gewackelt haben und beim Gastgeberland: Stille. Schade! 

Ich singe, weil ich stolz bin, dort oben meine Fahne wehen zu sehen, das ist mein Land, dessen Trikot ich trage und nun ja, in Lederhosen zur Siegerehrung wär vielleicht unpassend gewesen ;-)