COVID-19 und ich

Hallo zusammen, nein...ich bin nicht im Urlaub und nein, ich werde auch in nächster Zeit nicht fahren! Darauf komme ich später nochmal. 

Irgendwie wollte ich aber diesen Blog-Post, der schon sehr lange fällig gewesen ist, mit diesen Foto von unserem letzten Trainingslager auf Lanzarote beginnen, weil es es vielleicht das am besten verdeutlicht, was diese Zeit für mich war und ist:

Der Sport weiter präsent, doch trotzdem in vielen Bereichen Entschleunigung und auch den Blick auf Dinge, die man all die Jahre im Leistungssport auch vernachlässigt hat. Aber gleich mehr dazu. 

Am 06.04.2020 kam dann das Bayerische Fernsehen zu mir und hat für die Rundschau einen Kurzbericht gemacht wie ich in dieser Zeit mein Training so absolviere. Ich hab den Bericht damals auf Facebook gepostet. Verlinke ihn hier nochmal. 

Ganz kurz danach wurde die Ausgangsbeschränkung für Bayern verhängt und es war ein ganz seltsamer Zustand, plötzlich so heruntergefahren zu sein. Wettertechnisch war es teilweise auch kühler und man war doch viel auf die Wohnung festgesetzt. Es war mir sehr wichtig, dass ich meinen Tag weiter gut strukturiere und so habe ich mit einer Fitness-App gearbeitet, habe vieles abgearbeitet, das während der normalen Leistungssportzeiten immer zu kurz kam: Bürokram. 

Bedingt durch das extrem schlechte Sehen hat das natürlich auch wahnsinnig lange gedauert bis ich alles aussortiert und abgeheftet bekommen hatte, aber ich hatte ja Zeit. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich zuweilen sehr genervt von der Situation war. Ich wollte es gerne schneller haben, halt wie früher, aber das ist nicht mehr möglich. 

Dann hab ich die Wohnung umgeräumt, denn auch hier musste wegen dem Sehen eine andere Struktur rein. Nicht total, aber etwas anders. 

Irgendwann wurde mir klar, dass sich das alles noch wesentlich länger hinziehen würde und dass ich eine Lösung für das Krafttraining finden musste. Fit bleiben gut uns schön, aber verlorene Muskelkraft lässt sich nicht so schnell und leicht wieder aufbauen. 

Letztes Jahr in Japan bei dem Trainingslager mit den japanischen Athleten habe ich in einem Fitnessstudio dort ein fantastisches Multifunktionsgerät gesehen, das mit Luftdruck arbeitet und mit sogar Bankdruck möglich ist. Vor allem aber ist es sehr platzsparend und passt in meinen Gang (ich musste hier etwas umbauen - kleine Wohnung bedeutet immer viel Kreativität!)

Die Firma Keiser hat mir einen fantastischen Preis für das Gerät gemacht und so zog mein neuer Trainingsbuddy bald ein. Für Kugelstoßer bietet das Teil grandiose Möglichkeiten! Ich bin extremst begeistert. 

Nun war also dieser Bereich abgedeckt und dieses Gerät wird mir immer gute Dienste leisten: zu Corona-Zeiten und auch danach!

Neben dem Training habe ich jede Woche montags an dem Sporthilfe Webinar teilgenommen, das ich echt toll fand. Das Format lief jetzt nach 3 Monaten aus. Man hat Einblick in das Leben von unterschiedlichen Persönlichkeiten bekommen (auch Politik, Wirtschaft, Sport...), konnte im Chat Fragen stellen und auch sonstige Diskussionsbeiträge einstreuen. Hat mir gefallen. War eine echte Bereicherung. 

Auch Athleten für Deutschland hat ein 4-stündiges Seminar angeboten zu COVID-19, vor allem auch im Hinblick auf die Olympischen Spiele und Paralympics angeboten. Ebenfalls top Input, es ist genial, so gut informiert sein zu dürfen. 

Weiter bin ich ja in einer Gemeinde, auch hier hat der Hauskreis (wir treffen uns sonst einmal die Woche abends) über Zoom stattgefunden und das hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Die Gottesdienste meiner Gemeinde können auch im Livestream empfangen werden. Eine super Alternative. 

Und sogar mein 87-jähriger Vater hat es geschafft, sich Skype auf das Ipad zu installieren und hat viel Spaß, dass er mit mir auf diese Weise kommunizieren kann. 

Weiter habe ich mich mit vielen Leuten (auch weltweit) über Zoom, What's App und Skype ausgetauscht und hatte irgendwie nie das Gefühl, dass ich allein war. Ich habe viel über die Situation in anderen Ländern (Großbritannien, USA, Italien, Australien, Kenia, Philippinen, Brasilien, Dubai und Japan) erfahren und irgendwie war es schöne Erfahrung, mit so vielen Menschen verbunden zu sein. 

Es war ein wahnsinnig geniales Gefühl, nach der langen Zeit, in der wir nicht mehr zum Training in den Olympiastützpunkt rein durften, wieder dort stoßen zu dürfen. Woah!! 

Einige Athleten hatten Sondergenehmigungen an OSPs in anderen Bundesländern, was auch sehr erfreulich war. Die OSPs anderer Bundesländer waren alle schon wieder geöffnet, da konnte Bayern nur von Training träumen. Wir waren das erste Bundesland das die Ausgangsbeschränkung verhängt hatte (zu Recht) und waren das letzte, das seinen Athleten wieder das Training erlaubt hat. (darüber kann man streiten...)

Auf jeden Fall war das Gefühl, endlich wieder Stoßen zu können, unbeschreiblich! Ich liebe meinen Sport!!!

Meine Katzen sind natürlich extremst glücklich, dass ich mal richtig viel Zuhause bin. Obwohl sie auch von ihren Catsittern ziemlich verhätschelt werden, wenn ich weg bin. Die wohnen direkt im Haus, die kommen gleich im Doppelpack und das ist wirklich Betreuung Deluxe. Wahrscheinlich fragen sie sich zuweilen: "Was macht die Alte eigentlich die ganze Zeit in unserer Wohnung?!" Ich warte nur noch darauf, dass irgendeine ein Schildchen hochhebt: Wann fährst du mal wieder?

Nachdem die Ausgangsbeschränkung wieder etwas gelockert wurde, konnte auch mein Mobilitätskurs (Blindenstocktraining) endlich beginnen. 

Ich sehe natürlich, wenn jemand neben mir steht oder die Umrisse von irgendwelchen Sachen, die in meiner Umgebung sind. Das Problem lauert am Boden. Hindernisse vor mir sehe ich nicht und würde drüber fallen. Ich sehe alles nur noch als eine Ebene und wenn es draußen dunkler wird, dann sehe ich z. B. auch keine Hindernisse mehr, die ähnlich grau wie die Nacht sind. 

Nun muss ich ja auch alleine ins Stadion gehen, denn ich bin so vom Sehen genau an der Grenze (zu der Klasse, die eine Begleitperson im Stadion bekommen würde) und bekomme so leider keine Assistenz. Und natürlich will ich da heil reinkommen zum Ring. Ich will aber auch ohne Probleme mit dem Zug fahren oder auch im Trainingslager ein paar Schritte laufen. 

Aus diesem Grund der Blindenstock. Und bei der sportmedizinischen Untersuchung musste ich zudem auch versprechen, dass ich alles tun werde, damit ich wegen dem Sehen alle Unfallrisiken vermeide. Das tue ich hiermit. Wir haben im Kurs alles durchgemacht, was für mich wichtig sein könnte und haben ihn letzte Woche im OSP unter erschwerten Bedingungen (mit Hindernissen im Dunkeln) erstmal beendet. Im Herbst gibt es nochmal ein paar Stunden. Anbei ein Video. Auf dem Video gehe ich mit der neuen funktionellen Orthese L300 GO (von Otto Bock), die mein Gangbild extrem verändert und mir hilft auch längere Strecken zu gehen. Grandioses Teil! 

Hier wurde die Orthese vor rund 10 Tagen angepasst. Erstmal für 4 Wochen zur Probe, dann muss ein Gutachten geschrieben werden und ich hoffe, dass die Krankenkasse sie mir dann endgültig genehmigt. 

Ich weiß nicht, wie viel und wie lange ich wirklich schaffe, dass ich gehen kann und ob diese Orthese eventuell den Rollstuhl mal ersetzen kann. Im Moment glaube ich noch, dass es eine sehr gute Zwischenlösung ist. 

Meine Wege führen mich im Stadtteil schon kurz ins Einkaufszentrum, ich wage mich auch in die Stadt, aber nicht auf ganz lange Ausflüge. 

Ich war schon beim OSP, aber nicht in Kombination mit Training, nur Hinfahren und Blindenstocktraining. 

Im Moment kann ich das gut üben, im Moment hab ich dafür Kapazitäten. Mir ist das sehr wichtig, weil Gehen mein Leben bereichert. Das bedeutet nicht, dass Rollstuhlfahren ein Leben mindert!! Aber wenn ich manche Strecken gehen kann, dann ist vieles leichter. Ich bräuchte z. B. keine Angst mehr vor dem Winter und dem Schnee haben. 

Nach einer Weile spüre ich die Anstrengung, ich spüre die Spastik extrem und wenn ich müder werde, dann kommt die Ataxie und macht mit den Beinen was sie will. Mal schauen wie sich das entwickelt. 

Nun ja...neue Wege wollen erkämpft werden!

 

Der Titel des Blog-Posts lautet: COVID-19 und ich. 

Ich muss gestehen, dass mich diese Zeit teilweise sehr nachdenklich macht. Während der Ausgangsbeschränkung habe ich viel über das Virus angehört (ich lasse es mir jetzt immer vorlesen oder höre Podcasts) und aus der Schnittmenge der Vielfalt der Informationen konnte ich mir ein ganz passables Meinungsbild herausformen. 

In dieser ersten Zeit war Deutschland irgendwie fast eine Einheit. Das hat mich stolz gemacht, dass die Menschen einmal so gut mit den Maßnahmen, die jetzt von den Politikern getroffen wurden, harmonieren. Es war ja schließlich nicht einfach. 

Und dann, nach und nach, kippte alles. Je mehr gelockert und geöffnet wurde, je schräger wurden manche Menschen. Immer mehr Verschwörungsvollpfosten traten auf's Parkett und profilierten sich, fanden Anhänger aus anderen komischen Lagern und ich fragte mich, warum sich das alles so schnell geändert hat. Warum hatten plötzlich so viele ihr Hirn irgendwo zu Hause im Schrank liegen lassen? Die Kommentare, die mir Facebook unter den Pressekonferenzen oder anderen Themen zu COVID-19 vorlas waren zuweilen haarsträubend. Ich muss gestehen, ich bekam so eine leicht wütende Grundstimmung. 

Mir ist bewusst, dass viele das anders sehen, sich allen Spielraum rausnehmen, der so möglich ist (auch Urlaub etc.), selbst wenn es an der Grenze des Verantwortbaren ist. Wir sind da noch nicht durch! 

Es gibt Dinge, die auch verschiebbar sind. Und es gibt Dinge, die jetzt natürlich o.k. sind, dass man sie macht. Aber alles in gebotenem Maß und nicht so als wären wir schon wieder "safe". (Und ein Eis ist natürlich immer "safe"...;-) - gekauft mit Maske!)